Der mit den Fröschen spricht

Mein Haus, mein Auto und neuerdings auch mein Garten. Für das Jahr 2022 wurden 41 Millionen Gartenbesitzer von Statista gezählt – vier Millionen mehr als im Vorjahr. Und die brauchen nicht nur Erde, Setzlinge und Samen, sondern auch Tipps. Der Büchermarkt ist voll mit Gartenratgebern. Einer, der keine Gartentipps gibt, aber dennoch über seine Liebe zum Garten (amor horti) schreibt, ist der Rechtsanwalt und Unternehmer Claus Schulz. Er hat soeben ein über 400 Seiten starkes Compendium herausgebracht. Wir trafen ihn in seinem Familienunternehmen Kolk & Co. in Wuppertal-Vohwinkel, einem Holzhandel, der in diesem Jahr sein 145-jähriges Jubiläum feiert. Um sich mitten in der Woche in seinem Garten in Benrath zu treffen, dazu fehlte dem Autor im achten Lebensjahrzehnt einfach die Zeit.

Der Lesetext ist angelegt wie ein Garten, die Schrift mit floralen, geschwungenen und kursiven Stilelementen wurde exklusiv für dieses Buch von Gabriel Richter (Japan/Fukuoka) entworfen.  Es ist kein Gartenbuch, eher eine Gartenbibel. Kostenfaktor: 38,00 Euro. Zu bestellen direkt beim Autor (signiert) oder bei Amazon.

Das Wörtchen „Alterswerk“ wischt Claus Schulz gleich charmant vom Tisch. Nach kurzem Nachdenken nennt er sein sechstes Gartenbuch dann eine „hortikulturelle Reifeprüfung“. Und der Leser, was erwartet den? „Ich hoffe, niemand erwartet ganz präzise Gestaltungsvorschläge für seinen Garten von mir. Das wäre so kontraproduktiv, als würde ich einem Vogel die Augen verbinden, bevor er abfliegt.“ Das Ansinnen des Autors ist es, Mut zu machen für eine schwierige Aufgabe: Mut zu Mühe und Arbeit, um sich danach selbst zu feiern.

Wie er zum Gärtnern kam? Seine beiden Großväter hatten Gärten. Sein Großvater Eduard, war der Held seiner ersten Gartentage. Ordnung war Eduards Lebensprinzip. „Das fing bei seinem Scheitel an, der ausnahmslos gerade ohne den Anflug einer kleinsten Krümmung war. Diesen Ordnungssinn und die Akribie, mit der er als Vorzeichner für technische Konstruktionen tätig war, übertrug er auf seinen Garten. Da tanzte keine Möhre aus der Reihe“, erinnert sich Schulz. Und etwas von diesem Ordnungsprinzip ist bis heute bei Claus Schulz haften geblieben.

Aus dem Schulzschen Aphorismengarten

„Eine Biene bleibt eine Biene. Das ist in unser aller Interesse. Ein Frosch bleibt ein Frosch. Auch das ist gut so. Ein Mensch bleibt ein Mensch. Schade.“ (S. 431)

Doch nicht jeder aus dem Familien- und Bekanntenkreis taugt zu einem positiven Vorbild. Sein Nennonkel Bernhard, den alle Nades nannten, überließ die Gartenarbeit gelegentlich ausschließlich seinen Kühen und identifizierte sich so sehr mit ihnen, dass er selber zum Wiederkäuer wurde. Schulz blättert und zitiert: „Ich sehe ihn vor mir. Abseitig, schweigend, mit sich selbst beschäftigt. Kein Zweifel, er tat es wirklich. Er würgte. Er pumpte wahrhaftig sein Essen hoch, bis der Magen leer und sein Mund davon voll war. Seine Wangen waren am Ende aufgeblasen, der Kopf gerötet. Seine Augen, die ihm, während er heftig würgte, fast aus dem Kopf rollen wollten, zogen sich in dem Augenblick von allein zurück, in dem der Magen leergepumpt war. Es gab keinen Zweifel, Onkel Nades war zum Wiederkäuer geworden.“ Obwohl der kleine Claus einerseits angewidert war, versuchte er trotzdem, es dem Onkel gleichzutun. Als seine Eltern ihn beim Hochwürgen erwischten, bekam er Kontaktverbot und der Onkel wurde totgeschwiegen. „Aber bis heute ist es so, dass ich den Onkel sehe, wenn ich eine Kuh sehe.“

Aus dem Schulzschen Aphorismengarten

„Den Garten zu lieben, ist genauso unbedenklich wie sich selbst zu lieben. Es ist in unserer Hand, Enttäuschungen zu reparieren.“ (S. 432)

Die Sprache der Frösche Nicht minder exotisch mutet seine enge Verbindung zu Fröschen an. Schulz beherrscht nach eigenem Bekunden mehrere Quaklaute und Tonlagen und ist in der Lage, mit Fröschen über alle Sprachgrenzen hinweg zu kommunizieren. Das scheint die Frösche in seinem 2.000 Quadratmeter großen Garten in Benrath so zu erfreuen, dass sie in den Monaten April und Mai so laut quaken, dass es Situationen gibt, in denen Schulz mit seinen Gästen ins Haus gehen muss. So langmütig er mit den Amphibien ist, so hart geht er mit den Eichhörnchen ins Gericht, die er Baumratten nennt. „Das possierliche, niedliche Gehabe ist nichts anderes als Maskerade. Sie schlürfen die Eier in den Nestern der Singvögel aus oder verspeisen die geschlüpften Jungen. Sie sehen jedes Nest, auch die der Zugvögel und richten großen Schaden an.“

Die Sprache der Natur
Jeder Garten spricht die Sprache der Natur und Schulz weiß nur zu gut, dass der Mensch sich in Gartenkultur üben kann, die Natur aber immer ihr Recht fordert. Die Hecke, gerade gestutzt, wächst sogleich wieder. Für ihn ist das der reale Zugang zur Natur: „Natürlich kann ich die Natur auf verschiedene Weise erfahren, ich kann sie erwandern, aber mit den Händen in der Erde zu wühlen und etwas aus der Erde herauszuholen, ist der einzige Weg, um sich mit der Natur zu verbinden.“ Die kontemplative Arbeit im Garten, die dem Anwalt und Unternehmer eine willkommene Distanz zur Bürotätigkeit bietet, hat Schulz geformt. „Die Gärten gehören zu den letzten Orten, wo man Persönlichkeiten trifft. Gärtnerpersönlichkeiten gehören deshalb zu den größten Schätzen der Gärten.“ Vor allem in England beobachtet er das Phänomen, wo Hausfrauen sich zu Großgärtnerinnen entwickelten, also nicht nur den Garten entwickelten, sondern sich selbst. „Im Idealfall kommt es zu einer Identität zwischen Garten und Gärtner.“ Eine Lieblingsblume hat der Gärtner nicht. Das käme für ihn einem Verrat gleich. Aber zu seinem Sympathiekreis gehören Magnolien, Akeleien, Seerosen und Rosen.

Der Garten für die Seele
Auch wenn sich in seinem Buch die Formulierung „Kräuter statt Krücken“ findet, baut er keine Heilpflanzen zur Eigentherapie an. „Das kann sich natürlich ändern, aber aktuell bin ich topfit“, lacht er. Dass immer mehr Pflanzen in das Genesungs- und Betreuungskonzept von Krankenhäusern, Rehabilitationszentren und Pflegeheimen eingebunden werden, dass es Gefangenengärten zur Resozialisierung und natürlich Gärten in Kindergärten gibt, begrüßt Schulz ebenso wie Urban Gardening oder jeden Balkonkasten, in dem jemand einen kleinen Garten anlegt. Aber grün ist nicht gleich grün. Weil der Anwalt jeden Tag von Düsseldorf nach Wuppertal pendelt, sind ihm die Randflächen und Mittelstreifen der Autobahnen seit langem ein Dorn im Auge. „Würde man dort niedrige, salzresistente und umweltverträgliche Gehölze oder Stauden wie Lupinen und Sträucher pflanzen statt großer Bäume, die am Ende gefällt werden müssen, könnte man das Steuersäckel entlasten.“

Foto: Klaus Richter

Dr. Dr. Claus Schulz

Schulz ist promovierter Jurist und Staatswissenschaftler. Er arbeitet als Consultant für Konzerne, ist als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Düsseldorf zugelassen und führt das Familienunternehmen Kolk & Co oHG in dritter Generation. Seine Bücher schreibt er mit der Hand. Bei der digitalen Umsetzung steht ihm ein Team zur Seite. Schulz würde gerne mehr Zeit im Garten verbringen. Mühe sind für ihn die Arbeiten, die unangenehm sind wie Unkraut jäten, Rasen mähen oder Rosen schneiden. „Das ist die Gegenleistung, die man dem Garten schuldet.“

Pin It on Pinterest