Foto: Gemini by Martha Giannakoudi

Als ich das erste Mal ChatGPT ausprobierte, fühlte es sich an, als ob jemand den Vorhang zu einer völlig neuen Welt geöffnet hätte. Plötzlich entstanden Gedichte, E-Mails, ganze Abhandlungen innerhalb von Sekunden. Ich war begeistert und ein bisschen ehrfürchtig. Doch diese Magie bekam schnell Risse. Einige Antworten waren so selbstsicher, wie sie falsch waren. Andere waren so eloquent wie oberflächlich.

Und dann kam der Moment, der mich wirklich traf. Meine Mitarbeiter schickten mir plötzlich lange Texte, und ich korrigierte sie wie immer, bis mir plötzlich bewusst wurde: Das war gar nicht mehr „ihre“ Arbeit. Es war ein Produkt der KI. Meine Fragen hineinkopiert, ihre Antworten herauskopiert. Und ich sollte nun ernsthaft Feedback dazu geben? Meine Zeit investieren, als wäre es ihre eigene Denkarbeit?

Ich merkte, dass ich Führung neu denken musste. Dass in meinen Teams nicht nur Menschen arbeiten, sondern nun auch die Künstliche Intelligenz. KI war plötzlich nicht mehr nur ein Tool. Sie stellte sich als ein neuer relevanter Faktor in der Teamdynamik heraus. Und damit begann für mich eine Transformation meiner Arbeit als Trainerin und Sparringspartnerin für Führungskräfte.

Ziel einer ethischen KI sind Fairness und Transparenz

Ethische KI bedeutet Fairness, Transparenz, Verantwortung und Menschlichkeit bei der Gestaltung von KI-Systemen. Und sie beginnt lange, bevor ein System überhaupt genutzt wird – nämlich beim Training der Modelle. Die KI verarbeitet Daten, die von Menschen stammen. Und diese Daten sind voreingenommen, „biased“. Sie tragen Vorurteile, Muster und blinde Flecken in sich. Wenn man eine KI bittet, eine „typische Führungskraft“ zu visualisieren, wird sie oft einen Mann Ende 30 im Anzug darstellen, weil die Datenwelt, auf die sich die KI stützt, so geprägt ist.

Problematisch wird es dort, wo die KI Entscheidungen beeinflusst, die über Chancen im Leben bestimmen: Jobs, Studienplätze, Kredite, soziale Leistungen, medizinische Behandlungen. Deshalb hat der EU AI Act klare Regeln formuliert: Schutz von Menschenrechten, Verbot manipulativer KI-Praktiken und vor allem Transparenz. Mensch soll erkennen können, wann Mensch mit einer Maschine spricht. Klingt banal – ist aber entscheidend für Vertrauen.

Ethische KI betrifft Unternehmen ganz praktisch

Das Thema Ethik und KI kann man juristisch, philosophisch, politisch oder religiös betrachten. Ich habe es mal ganz nüchtern, pragmatisch betrachtet und ein Buch dazu geschrieben. Mich hat interessiert, wie KI in der Arbeitswelt ankommt – jenseits der großen Debatten. Also habe ich 17 Interviews geführt: in Büros, Verwaltungen, im Museum und im Kloster. Denn es ist eine Sache, ethische Prinzipien beim Bau von KI zu definieren. Eine völlig andere ist es, diese Prinzipien im beruflichen Alltag zu leben.

In Organisationen, in denen Neugier, Mut und Lernbereitschaft vorhanden waren, entstand eine gute KI-Kultur fast von selbst: Man probierte Tools aus, teilte Erfahrungen offen, sprach über Fehler und lernte gemeinsam. Überall dort, wo die Führungskraft den Raum dafür öffnete, wurde KI ernst genommen und priorisiert. Und es stand immer im Einklang mit den Werten des Unternehmens, wenn in der Folge KI nicht als Bedrohung, sondern als Chance verstanden wurde. Und ja, es gab auch Unternehmen, bei denen meine Interviewanfrage ins Leere lief oder eine ablehnende Antwort kam.

Raus aus der Komfortzone – jetzt ist der Moment

Ich höre oft Sätze wie „Wir sind noch nicht so weit.“ „Wir haben andere Prioritäten.“ „KI ist doch ein Hype. Wir warten ab, bis sich der Staub gelegt hat.“ Doch der Staub legt sich nicht. Und genau deshalb ist jetzt der Moment in den KI-Zug einzusteigen – nicht blindlings, sondern bedacht. Nicht allein, sondern mit anderen. Nicht ohne Werte, sondern wertegeleitet.

Der KI-Ratgeber von Martha Giannakoudi

Martha Giannakoudi gründete 2010 das Beratungsunternehmen Synnous im Düsseldorfer Medienhafen. Das Beratungsunternehmen ist spezialisiert auf Personalmanagement und digitale Transformation. Es unterstützt Unternehmen dabei, moderne Recruiting-Strategien und digitale HR-Prozesse zu etablieren.

Das Unternehmen bietet außerdem zertifizierte KI-Schulungen an, darunter Weiterbildungen zum KI-Transformationsmanager, die von der Agentur für Arbeit gefördert werden können. Ziel ist es, Fachkräfte und Unternehmen darauf vorzubereiten, KI-Technologien strategisch einzusetzen.

Neben der Beratung in HR- und Innovationsprozessen setzt sich Synnous mit aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt auseinander und begleitet Unternehmen bei der digitalen Transformation.

Buchtipp

Martha Giannakoudi: Ethische KI in der Praxis – Die 7 Säulen und 33 Sprichwörter für KI-Werte-Leitlinien in Unternehmen, Springer Vieweg, ISBN: 978-3-658-48561-0, 258 Seiten, 27,99 €

Ein praktischer Leitfaden für alle, die KI verantwortungsvoll einsetzen wollen – mit konkreten Werkzeugen, inspirierenden Interviews und kulturübergreifenden Weisheiten.

Für Düsseldorfer besonders spannend: Interviews u. a. mit Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Gregor Berghausen (IHK Düsseldorf), Annette Grabbe (Rheinbahn), Dr. Felix Krämer (Kunstpalast) und Pater Elias vom St. Andreas Dominikanerkonvent. 

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